Seemannsgarn im Rehmer Fährhaus.
Der Rehmer Kirchturm war den Weserschiffern ein Dorn im Auge.
Ausgegraben von Horst Jäcker
In einer Bad Oeynhausener Tagezeitung vom 12. Januar 1949 stand ein recht interessanter Artikel über die Weserschifffahrt. Abgespielt hatte sich das damals am jetzigen „Alten Fährhaus“, in dem zu der Zeit noch keine Gaststätte, sondern der Wohnsitz der Familie Diekmann war. Die hatten den Fährbetrieb Richtung Costedt und die Fischereirechte in der Weser, auf einer Strecke von 2 Kilometern. Manch älterer Rehmer wird sich noch an die Aalkörbe erinnern, die dort im Garten hingen. Es wurde aber nicht nur mit Körben gefischt, sondern auch mit Schleppnetzen. Den Fang, zumeist Aale und Weißfische, kaufte die Bevölkerung. Obwohl bei Diekmanns damals offiziell noch keine Gäste bewirtet wurden, trafen sich in dem gastfreundlichen Haus vielerlei Menschen. Einmal waren es Einheimische, die eben mal über die Weser gen Costedt gebracht werden wollten und außerdem die Käufer der Süßwasserfische. Der Fang bestand aber nicht nur aus Aalen, sondern auch aus allen Süßwasserfischen, die in der Weser ihr Zuhause hatten. Auch die Besatzungen von Schiffen, die bei Landree’ & Bartels Holz und beim Kornhaus Ottensmeyer Korn löschten, kehrten bei Diekmanns ein. Für die Flößer und Schiffer, die an den Rehmer Anlegestellen ihre Nächte verbrachten, war ein Besuch des „Alten Fährhauses“ eine Selbstverständlichkeit. Die Flößer, die auf ihrem Floß keine Bleibe für die Nacht hatten, schliefen zumeist auf dem Dachboden bei Diekmanns. Ich kann mich aber auch noch gut daran erinnern, daß diese Weserschiffer neben einem Holzfeuer, unter das sie Steine oder Metall gelegt hatten, die Nächte, wenn’s nicht regnete oder schneite, auf ihrem Floß verbrachten. Die Übernachtungskosten wurden dabei in Naturalien, durch das Mitbringen von Holzstangen, die Karl Diekmann für seinen Fährbetrieb und für die Fischerei benötigte, beglichen. Daß dabei auch kräftig Bier und Wacholder verzehrt wurde, war in Rehme schon immer eine Selbstverständlichkeit. Eine Hohe Zeit hatte der Fährbetrieb in den Nachkriegsjahren, nach 1945. Weil es auf der anderen Weserseite, in „Klein Österreich“, so nannten wir Costedt und Umgebung damals, viele große Bauernhöfe gab. Dahin fuhren etliche Menschen von Werre und Wiehen, mit Diekmanns Fähre, nicht nur zum „Hamstern“, sondern auch, um auf legale Weise an Lebensmittel zu kommen.
Einen Kompaß brauchten sie gerade nicht, die Fahrensleute von der heimischen Weser. Aber die Uhrzeit braucht man allemal auf einem Strom, auch wenn man in unserer schnelllebigen Zeit nur mit einer Geschwindigkeit von 6 – 8 Kilometer pro Stunde vom Habichtswald talabwärts, an der Rehmer Insel vorbei, treibt und für Tage, als Kapitän für kleine Fahrt, ein aus schlanken Stämmen gefügtes Floß unter den Füßen hat.
Wie lange ist es eigentlich her, daß man mit Fug und Recht sagen konnte: „Ich trage, wo ich gehe, stets eine Uhr bei mir..“
Anmerkung des Verfassers: Hinzufügen möchte ich, daß mir dieses Lied in meiner Kindheit häufig begegnet ist. Das sang nämlich unser damaliger Nachbar in Babbenhausen, Onkel Fritz, regelmäßig, wenn er, vom Übungsabend des Gesangvereins Wesertal, aus dem Gasthaus Wehmeyer, spät am Abend, nach Hause kam, unter dem Schlafzimmerfenster unserer Eltern.
Nun wieder zum Zeitungstext: Unsere Freunde, die wir im Rehmer Fährhaus trafen, trauern jedenfalls alle ihrem Chronometer nach. Einer von ihnen, der ein Gesicht wie gegerbtes Leder hat und dem die verwitterte Soldatenmütze bescheinigt, daß er nicht immer schwankende Planken unter sich gehabt hat, sondern auch einige tausend Kilometer Original russische Erde, scheint sich noch einmal an dem Grimm zu laben, den er hatte, als ihm ein sommersprossiger Iwan Ring und Uhr abnahm: „Gi-jeb herr Uhr-rr! Dawai, dawai!“ Diese Uhr gab dann auch den Anlaß zu einem dicken „Binnenschiffergarn“, mit jenen Männern, die Jahr für Jahr an unseren „Küsten“ ihrem Bestimmungshafen zutreiben und mit viel Mühe und Geschick jene Stämme, die einmal im Habichtswald und im Thüringer Waldgebiet gen Himmel strebten und in Holzminden und Karlshafen die Bekanntschaft mit dem nassen Element machen, stromabwärts zu dirigieren.
„Hein, wat du nich seggest?“ Ein alter Seebär, der schon an die 50 Jahre die Weser befährt, schaltet sich mit süßsaurem Lächeln ins Gespräch ein und zwar mit der sehr konkreten Frage, ob die Rehmer „kniepig“ (knauserig) wären. Nun, wir könnten ihm bestätigen, daß Rehmer nicht mehr und nicht weniger die „Penunsen“ (Geld) zusammen halten, wie es alle Westfalen gemeinhin tun. Unser Freund schien aber seine Bedenken zu haben. Wieso? Und warum? Und da lag der Hase im Pfeffer oder, um in der Seemannssprache zu bleiben, der „Hering im Salze“.
Der Rehmer Kirchturm ist der einzige Kirchturm von Karlshafen bis Bremen, der nur zur „Seeseite“ kein Zifferblatt hat. Nanu?! Das wussten wir ja nicht mal! Aber ein Blick „landwärts“ bestätigte es uns. Rehmes Uhr hat wirklich nur 3 Zifferblätter und es scheint die Vermutung nicht ganz abwegig zu sein, daß unsere Väter ehedem der Meinung waren, daß drei Zifferblätter vollauf genügten.
Weiter zum Text aus der Zeitung: Ob man aber doch nicht – den Anwohnern an der Weserseite und unseren Weserschiffern zur Freude – sich einmal berät, ein wenig in den Säckel fasst, die Uhr vervollständigt und den Dorn aus den wasserblauen Augen der Fahrensleute entfernt? Schließlich ist die fehlende Uhr für die Schiffer, die schließlich mit jeder Minute rechnen müssen, ein Ärgernis.
Das war ein bisschen Seemannsgarn von Weser, wie wir es heute nicht mehr erleben werden. Erleben können wir aber heutzutage, daß die „Rehmer Insel“ keine gastronomische Wüste mehr ist, sondern, daß im „Alten Fährhaus“ und in der „WESER – HÜTTE“, an 7 Tagen in der Woche, Einheimische, Radler, Wanderer und Wassersportler bestens beköstigt werden.
Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, als ich mit meinem Freund Horst Krüger das Fährhaus besuchte, an dem Hermann Mensing, der 1. Wirt dort, fleißig am Mauern war. Später waren wir Rehmer regelmäßige Gäste bei Else Mensing, die mit ihrem Bruder Fritz Diekmann, den weit und breit besten Apfelkuchen backte. Außerdem gab es dort besonders lange Würstchen, die unser Schlachtermeister Otto Albertsmeyer, extra für das „Alte Fährhaus“ produzierte. Wenn die gute Else sich bei Besuchern mit schmutzigem Schuhwerk und Hunden auch nicht sonderlich erfreut zeigte, so gab es für uns Rehmer Sonderrechte. Wir waren immer, wie wir auch kamen, herzlich Willkommen. Auch nach der Jagd mit schmutzigen Stiefeln und Jagdhunden. Verziehen hat sie uns auch einen Streich, der vielen Besuchern Freude bereitet hat. Wir haben nämlich einen, in der Weser gefangenen Aal, in das Aquarium gesetzt, das als Raumteiler in der Gaststätte stand. Während der Zeit, in der der Fisch im Fährhaus sein Zuhause hatte, hat so mancher Gast Spaß daran gehabt, wenn das Köpfchen des Aals irgendwo zwischen Wasserpflanzen und Steinen, zu sehen war. Nachdem Else Mensing Wind von dem friedlichen, aber ungebetenen Besucher bekommen hatte, haben wir den Fisch wieder dahin gebracht, wo er hergekommen war, nämlich in die Weser. Aber Spaß haben etliche Informierte an dem kleinen Streich gehabt.